Bildung, Forschung

3×3 nachgefragt zu “Auswärtsspiel” – Teil 2

© Stiftung Digitale Spielekultur

Die Veröffentlichung des Leitfragenkatalogs von “Auswärtsspiel” rückt näher! Mit dem vom Auswärtigem Amt geförderten Projekt “Auswärtsspiel” gehen wir als Stiftung Digitale Spielekultur den Fragen nach, welches Potenzial digitale Spiele für die Vermittlung von außenpolitischen Themenkomplexen haben und wie man Interessierte für (außen-)politische Bilder und Narrative in Games sensibilisieren kann. Am 02. Dezember tagte unser interdisziplinäres Expert*innen-Gremium, um für diese hochaktuelle Schnittstelle erste Leitfragen zu entwickeln.

Dazu haben wir erneut drei Expert*innen des Gremiums, nämlich

  • Stefanie Kastner, Leiterin des Bereichs Bibliotheken am Goethe-Institut,
  • Ata Sergey Nowak, Mitbegründer des Studios Torpor Games, sowie
  • Dr. Matthias Schulze, stellvertretenden Forschungsgruppenleiter zu Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik

jeweils drei Fragen gestellt.

Während sich die erste Frage gemäß der Tätigkeit der interviewten Expert*innen unterschied, waren die zweite und dritte Frage für alle identisch.

Frage 1 an Stefanie Kastner: In Ihrer Tätigkeit am Goethe-Institut beschäftigen Sie sich seit Jahren mit interkulturellem Austausch und Begegnungen. Welche Themen sind in Ihren Augen aktuell für die deutsche wie für die europäische Außenpolitik besonders wichtig?

Das sind für mich hauptsächlich die Themen Dekolonisierung, Diversität, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit.

Frage 1 an Ata Sergey Nowak: Als Spielentwickler in Berlin bist Du mitten in der deutschen Gamesbranche unterwegs. Welche Themen sind aktuell in Deinen Augen in Games bzw. Für Games besonders wichtig?

Persönlich finde ich die Positionierung des Games-Mediums im Allgemeinen in der Welt sehr wichtig. Weil es das Potenzial hat, echte gesellschaftliche Probleme hervorzuheben, indem es die Benutzer*innen unterhält und ihnen gleichzeitig neue Perspektiven zur Erweiterung ihres Denkhorizonts bietet. Spiele können das Werkzeug des 21. Jahrhunderts sein, um das menschliche Verständnis zu verbessern, unnötige Spannungen abzubauen, mit Gefühl zu lehren und ein globales Bewusstsein zu erreichen, ohne die Identitäten zu verlieren, die uns auch einzigartig machen.

Frage 1 an Matthias Schulze: In Ihrer Arbeit in der Stiftung Wissenschaft und Politik beschäftigen Sie sich täglich mit Fragen zu Sicherheits- und Außenpolitik. Welche Themen sind in Ihren Augen aktuell für die deutsche wie für die europäische Außenpolitik besonders wichtig?

Außen- und Sicherheitspolitik ist oft von der Gleichzeitigkeit vieler Krisen gekennzeichnet. Da ist zum Beispiel der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundene Neuorientierung der Außen und Sicherheitspolitik, die auch in einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie münden soll. Im Hintergrund schwelt die systemische Rivalität des westlichen Bündnisses mit einem erstarkenden China und gleichzeitig müssen sich weltweit die Demokratien gegen autoritäre Tendenzen behaupten. All das, während die Welt in eine Klimakatastrophe hineinschlittert.

Frage 2: “Auswärtsspiel” beschäftigt sich als Projekt mit der Schnittstelle von Außenpolitik und/mit digitalen Spielen. Welche Chance sehen Sie dabei in dieser Schnittstelle?

Stefanie Kastner: Digitale Spiele haben das große Potential Situationen, Geschichten oder Fragestellungen unmittelbar erlebbar zu machen. Wir haben die Möglichkeit, im Spiel Erfahrungen zu machen, die uns im Alltag verwehrt bleiben. Wir können politisches Handeln und alternative Ansätze gefahrlos erproben und schauen, wohin uns unsere Entscheidungen führen. Im Spiel können wir uns mit unterschiedlichen Werten auseinandersetzen, die Komplexität von Politik erleben und uns für verschiedene Wege entscheiden.

Ata Sergey Nowak: Spiele sind sehr gut geeignet, verschiedenste Situationen zu simulieren. Darin liegen Potenziale, z.B. das diplomatische Personal des Auswärtigen Amtes auf der Grundlage ihrer Dienstgebiete zu informieren und auszubilden. Der historische, soziale, kulturelle, religiöse, wirtschaftliche und aktuelle Kontext der diplomatischen Beziehungen kann ansprechend und spannend an jeden vermittelt werden.

Matthias Schulze: Ich würde mich freuen, wenn mehr Spiele außenpolitische Inhalte bekämen. So ist zum Beispiel Konfliktlösung durch Verhandlung, der primäre Modus von Außenpolitik, in Spielen noch recht selten vertreten. Mir bleibt da meist nur die Waffengewalt als Option. Auch Fragen des Völkerrechts sind spannend. Das so etwas Potenzial bietet, zeigen Spiele wie „Spec-Ops: The Line“, in dem man als Protagonist selbst in Kriegsverbrechen verwickelt ist. Es wäre z.B. interessant einmal zu sehen, dass Spieler am Ende einer Ego-Shooter-Kampagne vor einem Kriegsverbrecher-Tribunal landen würden, weil sie während des Spielens nicht wirklich zwischen Kombattanten und Zivilisten unterschieden haben.

Frage 3: Was kann der Leitfragen-Katalog von “Auswärtsspiel” in Ihren Augen dazu leisten?

Stefanie Kastner: Der Leitfragen-Katalog kann Multiplikator*innen wie Lehrerinnen und Lehrer, Spiele-Entwickler*innen oder Personen in der Erwachsenenbildung, Bibliothekar*innen aber auch Eltern dafür sensibilisieren, Spiele in der politischen Bildung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen einzusetzen und anhand der Fragen eine gute Auswahl zu treffen.

Ata Sergey Nowak: Mit diesen Fragen werden wir zu konkreten Diskussionen hingeführt, die es ermöglichen schneller zu den Kernpunkten zu gelangen, die wir z.B. bei Topor Games für unser Spiel „Suzerain“ nach Dutzenden von Debatten während des jahrelangen Entwicklungsprozesses durcharbeiten mussten.

Matthias Schulze: Unsere Workshops zeigten, dass es viele Überschneidungen zwischen Videospielen und Außenpolitik gibt: In beiden geht es implizit um die Gestaltung, Durchsetzung und ggf. Veränderungen von Regelsystemen. Insofern hoffe ich, dass der Leitfragenkatalog dabei hilft diese Gemeinsamkeiten weiter zu ergründen und zu vertiefen.