Spielecover: Medal of Honor - Above and Beyond

Medal of Honor: Above and Beyond

Medal of Honor: Above and Beyond ist ein Ego-Shooter und spielt während des Zweiten Weltkriegs. Spieler*innen übernehmen die Kontrolle über einen Agenten des Office of Strategic Services (kurz „OSS“). Das Spiel kann nur mithilfe von Virtual-Reality-Headsets (VR) gespielt werden und erlaubt es, sich an den Schauplätzen frei und mit großer Tiefenwirkung umzuschauen und zu bewegen, Gegenstände und Charaktere aus nächster Nähe zu betrachten sowie Werkzeuge und Waffen realitätsnah mit Handbewegungen zu bedienen.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Respawn Entertainment (USA)
  • Publisher: Electronic Arts
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Genre: Shooter
  • Thema: Holocaust, Nationalsozialistische Herrschaft, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Gering
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Hoch
Erklärungen zur Bewertung

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Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Johannes Eickhorst / Redaktion Stiftung Digitale Spielekultur (Christian Huberts, Benjamin Hillmann)

Johannes Eickhorst hat nach seinem ersten fachwissenschaftlichen Abschluss der Geschichts- und Politikwissenschaften ein zweites Studium für das gymnasiale Lehramt begonnen und arbeitet nebenberuflich als Lektor und im bildenden Bereich.

Medal of Honor: Above and Beyond ist ein Ego-Shooter und spielt während des Zweiten Weltkriegs. Die spielende Person übernimmt die Kontrolle über einen Agenten des Office of Strategic Services (kurz „OSS“), eines Nachrichtendienstes des US-Kriegsministeriums der Jahre 1942 bis 45. Zugleich ist der Agent für die französische Widerstandsbewegung La Résistance tätig. Die Einzelspieler-Kampagne führt die Spielenden im kriegszerrütteten Europa durch historische Ereignisse zu Lande, zu See und in der Luft. Sie sabotieren feindliche Basen, vereiteln die Pläne des Feindes und kämpfen an der Seite der Résistance gegen die deutsche Nazidiktatur. Medal of Honor: Above and Beyond sticht besonders dadurch hervor, dass das Spiel nur mithilfe von Virtual-Reality-Headsets (VR) gespielt werden kann. Die VR-Technik macht es möglich, dass die Spielenden räumlich in die digitalen Geschichten eintauchen. Sie können sich an den Schauplätzen frei und mit großer Tiefenwirkung umschauen und bewegen, Gegenstände und Charaktere aus nächster Nähe betrachten sowie Werkzeuge und Waffen realitätsnah mit Handbewegungen bedienen. Im weiteren Verlauf des Spiels werden zudem nach und nach kurze Dokumentationen über Veteran*innen des Zweiten Weltkriegs und 360-Grad-Ansichten realer historischer Schauplätze freigeschaltet, die den eher actionorientierten Spielverlauf um erinnerungskulturelle Inhalte ergänzt.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Das Spiel Medal of Honor: Above and Beyond ist ein Ego-Shooter und gehört zur Medal of Honor-Serie, die sich meist, aber nicht ausschließlich, mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Die Spielereihe Medal of Honor legt großen Wert auf eine realitätsnahe audiovisuelle Präsentation, insbesondere von Schauplätzen und Kriegsgerät. Die Spielhandlung orientiert sich hingegen in der Regel stärker an Vorbildern wie populären Kriegsfilmen und -serien. Die freispielbare „Gallery“, eine Sammlung von 360-Grad-Videos und Kurzdokumentationen, bietet historische Hintergrundinformationen und legt eine authentische Darstellung der Vergangenheit im Rest des Spiels nahe. Darunter befindet sich unter anderem der Film „Colette“, der eine Reise der französischen Widerstandskämpferin Colette Marin-Catherine zum KZ Mittelbau-Dora dokumentiert und im Jahr 2021 mit dem Oscar als Bester Dokumentar-Kurzfilm ausgezeichnet wurde. Die Spielhandlungen im Einzelspielermodus sind in ihrem linearen Ablauf nicht beeinflussbar und behandeln historische Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, wie die Landung der Alliierten in der Normandie am D-Day oder den U-Boot-Krieg. Die Entwickler*innen arbeiten mit der Gesellschaft der Congressional Medal of Honor zusammen, der höchsten militärischen Auszeichnung der USA, und begründen unter anderem so den nach eigener Angabe hohen Realismusgrad des Spiels. Beachtet werden muss hierbei jedoch, dass das Entwicklerstudio einige Kompromisse zu Gunsten eines unterhaltsamen Spielablaufs eingeht und die Congressional Medal of Honor als politisch-militärische Institution eine sehr spezifisch US-amerikanische und militärhistorische Perspektive auf die dargestellten Ereignisse einnimmt.

Die erinnerungskulturelle Bedeutung von Medal of Honor: Above and Beyond liegt so vor allem im körperlich unmittelbaren, räumlichen Erleben der an historische Ereignisse, Personen und Schauplätze angelehnten Spielhandlung mittels Virtual-Reality-Hardware. Auch die „Gallery“ als Mittel, Zeitzeug*innen zu Wort kommen zu lassen und historische Orte zu erleben, ist im gebotenen Umfang durchaus bemerkenswert, auch wenn der Fokus der Auswahl auf Veteran*innen liegt und der Zweite Weltkrieg so vor allem aus militärischer und weniger aus ziviler Perspektive erinnert wird.

Diskussionspunkte

Die Medal of Honor-Reihe reduziert den Zweiten Weltkrieg meist aus Sicht der Alliierten auf einen „guten Krieg“, in dem Heldentaten vollbracht und ein moralisch eindeutiger Feind bekämpft wird. Ambivalente Perspektiven, die verbrecherische Ideologie des Nationalsozialismus oder zivile Opfer werden hingegen weitgehend ausgespart. Problematisch ist dabei, dass das Spiel aufgrund des Anscheins von historischer Authentizität und der realitätsnahen Präsentation komplexe historische Ereignisse größtenteils aus militärischer Perspektive und nicht multiperspektivisch widerspiegelt. Politische, soziale oder kulturelle Dimensionen der dargestellten Ereignisse werden ignoriert. Zudem beinhaltet Virtual Reality, die für das Spielen des Spiels technisch unabdingbar ist, das Risiko einer emotionalen Überwältigung: Feinde werden mit unmittelbarer Waffengewalt bekämpft, Granaten explodieren in nächster Nähe der Spielenden und Extremsituationen wie Fallschirmsprünge werden intensiv körperlich miterlebt. Andererseits wird aktuell innerhalb (kultur-)historischer Institutionen intensiv diskutiert, inwiefern man Zeitzeug*innen-Interviews in Form von VR und immersiven Videos produktiv aufbereiten kann, um so neue gesellschaftliche Schichten ansprechen zu können. Medal of Honor: Above und Beyond lässt sich hierbei durchaus als potentielles Vorbild nutzen, da es Virtual-Reality-Technology beispielhaft in der Spielhandlung und der „Gallery“ für die Vermittlung der Vergangenheit nutzt und dabei auf Zeitzeug*innen-Berichte und historische Schauplätze zurückgreift.

Einsatzmöglichkeiten

Die Einsatzmöglichkeiten des Spiels Medal of Honor: Above and Beyond innerhalb eines pädagogischen Kontexts sind relativ gering und durch eine fehlende Jugendfreigabe zusätzlich eingeschränkt. Der Einsatz im Geschichtsunterricht ist durch die für das Spielerlebnis notwendige Anschaffung von VR-Technik vergleichsweise unverhältnismäßig und bedarf der Volljährigkeit aller beteiligten Schüler*innen. Alternativ kann auch auf Let’s-Play-Videos zurückgegriffen werden, hier entfällt aber der mögliche Mehrwert durch die virtuelle Realität. Außerdem bleibt fraglich, ob die vom Spiel angestrebte historische Authentizität ausreichend ist, um kompetenzorientierten Geschichtsunterricht zu vermitteln, da die lineare Spielhandlung vor allem darauf ausgerichtet ist, die militärischen Handlungen der Achsenmächte zu verhindern, indem man sie sabotiert und gegen ihre Truppen kämpft. Die Inhalte der „Gallery“ bieten mit Zeitzeug*innen-Interviews und 360-Grad-Ansichten realer Schauplätze hingegen viele Ansatzpunkte für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und im Fall der Kurzdokumentation Colette ebenfalls mit dem französischen Widerstand sowie dem Holocaust. Für Museen, Ausstellungen und kulturelle Events bietet das Spiel durchaus viele Anwendungsgebiete. Das Potential bemisst sich hierbei vor allem an der unmittelbaren Veranschaulichung der im Spiel dargestellten historischen Ereignisse in der virtuellen Realität, insbesondere aus militärhistorischer Perspektive. Falls der Einsatz im Geschichtsunterricht oder in anderen pädagogischen Kontexten doch erprobt werden sollte, müsste vorher und währenddessen explizit verdeutlicht werden, dass VR emotional sehr intensive Erlebnisse vermitteln kann, die bei der Auseinandersetzung mit konfliktvollen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs nicht zwingend positiv wahrgenommen werden müssen. Infolgedessen müsste ein Einsatz gründlich bedacht, aus allen Perspektiven diskutiert und ggf. pädagogisch-psychologisch begleitet werden. Eingeschränkt gilt dies auch für den „Gallery“-Modus.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Eickhorst, Johannes. „Medal of Honor: Above and Beyond“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 16.05.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum].

Förderer

Dieser Beitrag wurde finanziert durch Fördermittel der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).