Kultur

Interview mit Andreas Lange zur Bewahrung digitaler Spiele

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1. Andreas Lange, Sie sind Sprecher bei EFGAMP. Was genau ist und was macht EFGAMP?

AL: EFGAMP steht für European Federation of Game Archives, Museums and Preservation Projects. Es ist also der Verband der Games-bewahrenden Institutionen in Europa. Das Computerspielemuseum ist Gründungsmitglied, ebenso wie z.B. die beiden Nationalbibliotheken Dänemarks und Schwedens. Ziel von EFGAMP ist es, eine zentrale Anlaufstelle auf europäischer und internationaler Ebene für alle zu sein, die sich über die Bedürfnisse der Bewahrung von diesem Teil unseres kulturellen Erbes informieren möchten. Damit ist EFGAMP auch eine klassische Interessenvertretung der europäischen Gamesbewahrer, die mittlerweile nicht mehr nur von den Fans und der Community gebildet werden, sondern auch zunehmend durch Institutionen, Organisationen und Firmen.

2. EFGAMP hat kürzlich ein Statement zur Direktive des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vorgelegt. Wieso ist diese Direktive wichtig für die Bewahrung digitaler Spiele?

AL: Für die Bewahrung und Zugänglichhaltung von Computerspielen ist das Urheberrecht sehr relevant, da wir es bei digitalen Spielen ja fast durchgängig mit urheberrechtlich geschützten Werken zu tun haben. Da auf europäischer Ebene die Rahmengesetzgebung erfolgt, innerhalb derer dann die einzelnen Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetzgebungen ausgestalten, ist es für uns wichtig, mit EFGAMP eine Interessenvertretung auf EU-Ebene zu haben. Die gerade in der Erarbeitung befindliche Direktive hat dabei zum Ziel, das traditionelle Urheberrecht auf die neuen digitalen Rahmenbedingungen anzupassen. Da Computerspiele ja die ersten populären „born-digital“ Werke sind, wird dieses Gesetzgebungsverfahren ganz entscheidend unsere Möglichkeiten bestimmen, Games für zukünftige Generationen zu bewahren.

3. Was konkret fordert EFGAMP nun von Europa?

AL: Die Bewahrung unseres digitalen Spiele-Erbes ist bisher vor allem durch die Fans und die Community getragen worden. Deren Motivation bestand ganz wesentlich in ihrer emotionalen Beziehung zu den Games und den historischen Plattformen. Dabei spielten solide rechtliche Rahmenbedingungen eine eher untergeordnete Rolle. Da Games aber nun als Kulturgut anerkannt sind, wird es zunehmend wichtiger, dass diese persönlichen Bindungen durch institutionelle Trägerschaften abgelöst werden, die zwar schwerfälliger und kostenintensiver, dafür aber systematischer und nachhaltiger sind. Eine solide rechtliche Basis ist die Voraussetzung für die notwendige Arbeit dieser Institutionen.

In einem ersten Schritt müssen wir die Gesetzgeber überhaupt erst auf ihre Verantwortung für die Gaming-Kultur aufmerksam machen. Liest man sich den Entwurf des Gesetzes durch, werden Computerspiele an keiner Stelle erwähnt. Damit bietet uns das Gesetz kaum Orientierung für unsere Arbeit. Dies ist umso absurder, als dass Games ein wesentlicher Motor der Digitalisierung unserer Kultur waren, sind und auch in Zukunft bleiben werden.

In dem Statement geht es uns außerdem darum, Detailregelungen zu erwirken, die speziell die Bewahrung komplexer, interaktiver digitaler Artefakte verlangt. Denn natürlich ist es ein Unterschied, ob ich für ein interaktives Werk auch die Plattformen in Form von Emulatoren bewahren muss oder, sagen wir mal, ein pdf alle paar Jahre migriere, um es auf der jeweils aktuellen Plattform noch anschauen zu können.

Wir fordern auch, dass die existierenden Ausnahmeregelungen des Urheberrechts auf Computerspiele ebenso wie auf andere Werkgattungen wie Bücher und Filme angewendet werden können. In der vergleichsweise jungen und hoch dynamischen Games-Industrie haben wir es mit einem hohen Anteil sogenannter verwaister Werke zu tun. Oft fällt damit die Möglichkeit weg, Vereinbarungen mit den Rechteinhabern zu treffen.

EFGAMP möchte zukünftig auch der Games-Industrie eine Schnittstelle anbieten, über die man sich jenseits von Einzelvereinbarungen über einen Rahmen verständigen könnte, der den Interessen der Gesellschaft und denen der Rechteinhaber gleichermaßen entspricht.

Andreas Lange (Jg. ’67) ist Gründungsdirektor des Computerspielemuseums in Berlin, das er nach seinem Studium der Religions- und Theaterwissenschaft im Auftrag des fjs e.V. aufbaute und mit dem 1997 die weltweit erste Dauerausstellung zur Computerspielekultur eröffnete. Lange ist Mitglied der Jury des Deutschen Computerspielpreises, der Akademie des Deutschen Entwicklerpreises, des Beirats der Stiftung Digitale Spielekultur und des Fachausschusses Kulturerbe des deutschen Kulturrates. Lange war Projektleiter des Computerspielemuseums für das Europäischen Forschungsprojekt KEEP (Keeping Emulation Enviroments Portable) und ist Sprecher der AG Emulation des deutschen Kompetenznetzwerk zur digitalen Langzeitarchivierung nestor sowie des 2013 gegründeten Europäischen Verbandes der Computerspielarchive, -museen und Bewahrungsprojekte (EFGAMP).