Wer ist Sam? Unterstützung für LSBTIQ*-Jugendliche

Autor*in
Institut Spielraum & Maike Groen

Zusammenfassung:

Das textlastige kurze Rätselspiel A Normal Lost Phone (© 2017 von Accidental Queens / Playdius Ent.) über Sam (18 Jahre alt) bietet eine gelungene Grundlage, über eigene Vorurteile nachzudenken und sich kritisch mit Trans- und Homophobie auseinander zu setzen.

Die App simuliert ein gefundenes Smartphone. Vordergründiges Ziel ist es, möglichst viele Informationen über den*die Besitzer*in zu sammeln. Für die pädagogische Arbeit ergeben sich dabei zwangsläufig auch Fragen nach der Verletzung von Privatsphäre und Datenschutz; Schwerpunkt dieser Methode liegt jedoch auf dem Leben von Sam, das zentrale Fragen für einige LSBTQI (Lesbisch, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Queer, Inter*) anspricht. Dabei greift das Spiel Alltagsthemen aus der Welt von Jugendlichen auf, was eine leichtere Identifizierung mit den Problemen und Sorgen von Sam möglich macht. Dies erlaubt eine behutsame Sensibilisierung für das Thema und im Bedarfsfall auch direkte Verweise an Hilfs-Angebote vor Ort.
Achtung: Es sollte gerade in der Arbeit mit Jugendlichen bedacht werden, dass unter ihnen auch Betroffene sein können. Es ist daher auf einen rücksichtsvollen und respektvollen Umgang in der Gruppe zu achten.

Das Spiel

Um sich alle Inhalte des Spiel – respektive des simulierten Smartphones – erschließen zu können, müssen verschiedene Passwörter (z. B. W-Lan oder der Zugang zu einem Internet-Dating-Portal) erraten werden. Dies ist nur möglich, indem nach und nach alle verfügbaren Nachrichten, E-Mails, Fotos und Foreneinträge gelesen und ausgewertet werden. So erschließt sich den Spielenden ein breites Bild von Sam, Beziehungen zu Familie, Freundschaften, Wünschen und Ängsten.

Im Verlauf des Spiels fallen dabei immer wieder Ungereimtheiten in der zunächst gradlinig erscheinenden Geschichte eines heterosexuellen Jungen auf: Wieso glaubt seine beste Freundin, er würde auf Männer stehen? Warum trennt er sich so plötzlich von seiner festen Freundin? Wieso hat er zwei Profile (eins als Mann, eins als Frau) auf einer Dating-Plattform? Warum wird er als Monster beschimpft? Und welches Drama verbirgt sich hinter der Hochzeit seines Cousins?
Nach und nach stellt sich heraus, dass Sam als biologischer Junge geboren wurde, aber eine Frau ist. Nur zwei Menschen wissen das und unterstützen sie, ihre Familie hingegen hat schon ihren homosexuellen Cousin aus der Familie verbannt. Hilfe findet Sam online, wo sie sich leichter als das Mädchen präsentieren kann, das sie ist – und in speziellen Online-Foren, wo ihre Fragen beantwortet und Ängste genommen werden.

Das Spiel thematisiert daher verschiedene Aspekte sexueller und geschlechtlicher Identität und schafft es, die homo- und transphoben Äußerungen von Sams Umfeld derart zu rahmen, dass die Verletzungen und Menschenfeindlichkeit dahinter deutlich werden. Dennoch endet die Handlung hoffnungsvoll, weil Unterstützungsmöglichkeiten für Sam vorhanden sind und sie es am Ende schafft, sich selbst treu zu sein.

Das Spiel ist auf den meisten gängigen Plattform (Android, Linux, Windows, Mac) für ca. 2,99 € z. B. unter https://anormallostphone.com erhältlich. Das Spiel lässt sich vor allem über Lesen lösen, es ist komplett auf Deutsch und die meisten Texte sind in kurzer Nachrichtenform verfasst, sodass es leicht zugänglich ist. Die Spielzeit variiert stark – je nach Lesegeschwindigkeit und Kombinationsfähigkeit der Jugendlichen ist von etwa 90 Minuten auszugehen. Mithilfe von Tipps durch begleitende Pädagog*innen oder online verfügbaren Lösungen kann die Spielzeit jedoch maßgeblich reduziert werden.

Pädagogische Einsatzmöglichkeiten:

Beim Spielen:

  • Die Jugendlichen sollten möglichst in Kleingruppen das Spiel spielen und den Prozess schriftlich dokumentieren.
  • Aufgabe ist, alles aufzuschreiben, was sie über Sam wissen (oder zu wissen glauben). Dies kann vor allem spannend werden, weil so Vorurteile später revidiert werden müssen (auch in Bezug auf das Aussehen von Sam). Gleichzeitig ist es wichtig für die Lösung des Spiels, weil häufig z. B. signifikante Daten erraten werden müssen.
  • Insgesamt sollen die Jugendlichen folgende Fragen beantworten, die sich nach und nach mit Informationen befüllen:
    1. Wie sieht Sam aus?
    2. Wovor hat Sam am Angst?
    3. Warum bezeichnet Lola Sam als „Monster“?
    4. Was passiert mit Melissa an Silvester?
    5. Wer unterstützt Sam? Wie sieht diese Unterstützung aus?
    6. Welche Geschichte verbirgt sich hinter dem Verschwinden von Sams Cousin?
    7. Wo ist Sam am Ende des Spiels / wenn ihr das Telefon gefunden habt (vermutlich)?
    8. Welche sexuelle Orientierung hat Sam? [ACHTUNG: ‚Trickfrage‘, da es letztlich nicht um Sams Sexualität geht (was das Spiel anfangs vermuten lässt), sondern um ihre Geschlechtsidentität. Die Frage wen, was oder wie sie begehrt, lässt sich nicht beantworten. Sie wurde hier aber vermerkt, um die Aufmerksamkeit auf die Differenzierung von sexueller und geschlechtlicher Identität zu lenken.]

Nach dem Spiel:

  • Nach dem Spiel wird zunächst im Plenum über die Geschichte des Spiels gesprochen. Leitfragen dabei können sein:
    1. Was hat euch an Sams Geschichte überrascht?
    2. Wie beurteilt ihr das Verhalten der verschiedenen Figuren (z. B. ihrer Familie dem Cousin gegenüber, Sams Verhalten Melissa gegenüber, der Übergriff von Sebastian gegenüber Helena, …)
    3. Was konnte das Spiel gut darstellen, was habt ihr gelernt?
    4. Was hat euch am Spiel nicht gefallen?
  • Wichtig ist es als letzten Schritt, Unterstützungsangebote vor Ort vorzustellen. Im Idealfall sollten die Jugendlichen diese selbst recherchieren, es könnten auch lokale Initiativen (über Flyer oder direkt) vorgestellt, eingeladen oder besucht werden. Für den Kölner Raum und NRW bieten sich zum Beispiel folgende Projekte an:
    • SCHLAU http://koeln.schlau.nrw bietet Bildung und Schulaufklärung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an.
    • Das ANYWAY http://www.anyway-koeln.de ist ein Jugendtreff für Schwule, Lesbe, Bis, Trans* und Queers von 14 bis 27 Jahre sowie deren Freund*innen, das zudem individuelle und schulische Beratung bietet.
    • Der LESBEN- und SCHWULENVERBAND http://nrw.lsvd.de ist in allen Regionen mit einem breiten Angebot vertreten.
    • Die YOUTH-LIFE-LINE https://www.youth-life-line.de bietet online qualifizierte Peer-to-Peer-Beratung zum Bereich Suizid / Selbstmordgedanken an.
    • IRRSINNIG MENSCHLICH http://www.irrsinnig-menschlich.de/hilfe/suizid/ stellt Materialien und Notfallnummern zum Themengebiet Suizid / Selbstmordgedanken bereit.
    • PRO FAMILIA https://www.profamilia.de/jugendliche.html bietet Beratungen und Informationen für Jugendliche insbesondere im Bereich Sexualität, sexuelle Vielfalt an, hilft aber auch bei Fällen von sexuellen Übergriffen.

Dauer
etwa 2 Stunden

Sozialform
Gruppenarbeit, Plenum

Methoden-Ziele
Wissensvermittlung, Sensibilisierung

Zielgruppe
Jugendliche

Praxisfelder
Schule, Offener Ganztag, OKJA, Freizeit, Aus- und Weiterbildung

Pädagogische Besonderheiten
Gender, Peer-to-Peer

Technische Hilfsmittel
Anwendungssoftware, Das Spiel läuft auf PC, Android und Apple-Geräten, jeweils zum gleichen Preis

Das Spiel enthält viel Text, hohe Motivation oder gutes Lesevermögen wird voraus gesetzt.

In Trägerschaft von:

Technische Hochschule Köln

Creative Commons

Der/die Autor*in hat diese Methode unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlich. Das bedeutet, dass Sie die Methode mit wenigen Einschränkungen nutzen und ggf. weiterveröffentlichen dürfen.

Die Lizenzbedingungen, unter denen diese Methode und zugehörige Materialien genutzt werden dürfen, stehen online zur Einsicht bereit.

Hier geht es zu den Lizenz-Informationen.

Institut Spielraum

angelegt an der:

TH Köln
Forschungsschwerpunkt Medienwelten
Institut für Medienforschung und Medienpädagogik
Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften

Projekt: „Ethik und Games“ (2016-2018), gefördert von BMFSFJ, bpb und dem MKFFI NRW.

Ansprechpartner*in: Maike Groen

Kontakt: spielraum@th-koeln.de

Webseite: http://th-koeln.de/spielraum