Mütter spielen Heavy Rain

Autor*in
Institut Spielraum & Mareike Kiepe

Das folgende Projekt setzt sich mit der Sicht von Müttern zu Videospielen auseinander. Es folgt hier eine kurze Projektbeschreibung mit Fokus auf eine erfolgte Durchführung. Anhand dessen kann das Projekt und die damit verbundene Idee mit individualisierter Anpassung in ähnlichen Settings aufgegriffen werden.

Bei der Umsetzung des Projekts wurden drei Mütter von Kindern unterschiedlicher Altersklassen eingeladen. Ziel war es, den Müttern einen Einblick in die Videospielwelt zu geben und dabei ihre Meinungen und Eindrücke insbesondere auf den ethisch-moralischen Hintergrund zu erfahren. Sie sollten sich kritisch mit der Spielweise, der Spielgeschichte sowie der daraus folgenden Eignung für Jugendliche auseinandersetzen.

Im Projekt wurde das Spiel Heavy Rain für die Playstation 3 genutzt. Eine kurze Spielbeschreibung samt pädagogischer Einschätzung findet sich im Material „Spielbeschreibung Projekt Mütter spielen Heavy Rain“. Eine ausführliche Spielebeurteilung „Heavy Rain“ stellt der Spieleratgeber-NRW.de bereit. Hier wird auch näher auf die Besonderheiten der Symbiose von digitalen Spielen und Spielfilmen, auf filmische Elemente und Bezüge zu bekannten Filmen sowie auf moralische Aspekte innerhalb des Spiels und deren Bedeutung für Spielende eingegangen.
Die Auswahl fiel hauptsächlich aus zwei Gründen auf Heavy Rain. Das Spiel ist eine Mischung aus interaktiven Film und digitalem Spiel und verbindet sich zu einem interaktiven Action-Adventure, welches auch für unerfahrene Spieler*innen zugänglich und gut zu bedienen bzw. zu spielen ist. Die Spielgeschichte ist der zweite Grund für die Auswahl des Spiels, da diese die Zielgruppe „Mütter“ (bzw. in einer Projekt-Variante allgemein Eltern, in einer weiteren Variante Eltern und Jugendliche) über das Spiel hinaus emotional ansprechen und auf besonders intensive Art mit dem Spiel/en verknüpfen kann. Dies zeigt wiederum für (medien-)pädagogische Kontexte, welches Potential in digitalen Spielen und der Auseinandersetzung mit diesen und den Spielenden stecken kann und wie „ernsthaft spielerisch“ Themen mit und in Spielen behandelt werden (können). In Heavy Rain – so die Kurzbeschreibung – übernehmen Spielende die Rolle von Nathan Mars und erleben zunächst, wie dessen Sohn Jason tödlich verunglückt. Daraufhin bricht die heile Welt und Ehe des Architekten auseinander und er gibt sich fortan eine Mitschuld am Tod seines Sohns. Nun wird sein zweiter Sohn Sean von einem Serienkiller entführt und Nathan Mars muss und will alles unternehmen, um ihn zu retten. Dies stellt den Protagonisten und somit die Spielenden vor mehrere moralische Dilemmata und ethische Entscheidungen  …
An dieser Stelle sei empfohlen, den Teilnehmenden bereits bei der Anfrage zur Projektteilnahme die Spielgeschichte kurz zu skizzieren und darauf hinzuweisen, dass die Themen Verlust eines Kindes und Kindesentführung gepaart mit einer teilweise düsteren Psychothriller-Atmosphäre und erlebten und angedeuteten Gewaltaspekten Eltern und Spielende allgemein emotional fordern können.
Weitere Einblicke in das Spiel bietet die Webseite vom französischen Entwickler-Studio Quantic Dream und beispielhaft zwei Let’s Plays zum Spielanfang:

Zur Projektdurchführung
Der zeitliche Rahmen für die Durchführung des Projekts betrug ca. 2 Stunden. Zur Einführung in das Thema wurde den Müttern ein Trailer des Spiels gezeigt. Um in die Steuerung und in die Machart des Spiels zu finden, wurde zunächst das erste Kapitel gespielt, in welchem die wichtigsten Steuerungshinweise gegeben wurden. Die Mütter konnten dabei eigenständig testen und ausprobieren. Im Anschluss wurden fünf im Vorfeld ausgewählte Kapitel gespielt. Diese Kapitel sind sehr entscheidend für den Verlauf des Spiels. In diesen Szenen geht es darum, ethisch-moralische Entscheidungen über das eigene oder das Leben anderer zu treffen. Die Tragweite der Handlungen und Entscheidungen ist eng mit dem Leben des Sohnes des Hauptcharakters – der von den Müttern / Spielenden gesteuert wird – verknüpft. Die Mütter haben sich mit dem Spielen abgewechselt, so dass sich jede an den Prüfungen probieren konnte. Zwischen den Kapiteln wurden immer wieder Erläuterungen zum Verlauf des Spiels gegeben sowie aufkommende Fragen beantwortet. Ziel war es insbesondere die ethisch-moralischen Entscheidungen, die es zu treffen galt, gemeinsam zu diskutieren und zu beschließen. Dabei war es den Müttern frei gestellt, wie oft und wie lange sie die Steuerung übernehmen wollten und wie intensiv Entscheidungen besprochen wurden. Im Anschluss an die Spielphase fand ein ausgiebiger Austausch der Spielenden statt, in dem die individuellen Spielerfahrungen, Alterseinschätzungen für das Spiel und Gründe für Eignung, Faszination und Bedenken für Jugendliche im Vordergrund standen.


Die Teilnehmenden hatten bisher keine bzw. nur wenig Erfahrung mit Videospielen. Jede der Teilnehmerinnen hatte mindestens eines der ausgewählten Kapitel gespielt. Die Mütter haben sich immer wieder über die zu spielenden Szenen und mögliche Konsequenzen ihres Handelns innerhalb und für den Fortlauf der Spielgeschichte unterhalten. In der abschließenden Diskussionsrunde konnten folgende Anmerkungen festgehalten werden:

  • Sie würden es ihren 16-jährigen Kindern nicht zur Verfügung stellen.
  • Sie waren emotional sehr ergriffen: „Ich würde alles für mein Kind tun!“
  • Die Kinder und Jugendlichen sind wahrscheinlich unterschiedlich emotional entwickelt, daher ist es schwierig ein freigegebenes Alter festzulegen.
  • „Ob die Eltern immer wissen, was ihre Kinder wohl so spielen?!“
  • „Spannendes Spiel, ich würde gerne weiterspielen.“
  • 16-jährige denken wahrscheinlich nicht weiter über das Spiel nach – oder doch und sind dabei sehr sentimental?
  • Das Spiel ist psychisch viel zu anspruchsvoll, um von Jugendlichen gespielt zu werden.

Resümee und kritischer Ausblick:
Das Projekt war ursprünglich mit sechs Mütter angedacht, durchgeführt wurde es mit dreien. Im Rückblick wurde von der Projektanleiterin die kleinere Gruppegröße als sehr positiv gewertet. Dadurch konnten sich alle ausreichend mit der Steuerung des Spiels vertraut machen und sich somit bestmöglich in die Spielsituationen hineinversetzen. Des Weiteren kamen durch die geringe Anzahl alle Teilnehmenden mit ihrer Meinung und Einstellung zu Wort. In der ersten Projektkonzeption war angedacht, ergänzend mit einer Gruppe Jugendlicher (ab 16 Jahren) das Spiel in einem ähnlichen Setting zu spielen. Leider war dies aus organisatorischen Gründen im beschriebenen Projekt nicht möglich. Im Rückblick und auch nach den Fazit-Gesprächen mit den Müttern wäre die Sichtweise der Jugendlichen auf das Spiel sehr interessant gewesen. Auszuwerten wäre dabei, welche Parallelen oder Unterschiede zwischen der Gruppe von Müttern und Jugendlichen sichtbar geworden wäre.
Bei einer erneuten Durchführung des Projekts wären weitere Settings vorstellbar: Väter als Gruppe Spielender; ebenso geeignet: Eltern-Gruppen, Gruppen mit Lehrer*innen und Pädagog*innen. Auch ein Zusammenführen der Gruppen, nachdem sie vorher getrennt eigene Erfahrungen sammeln konnten, beinhaltet viel (medien-)pädagogisches Potential. So könnten beispielsweise Jugendliche für den Einstieg in den Austausch mit ihren Eltern versuchsweise deren Sichtweise annehmen. Umgekehrt würden die Eltern aus der angenommenen Sicht ihrer Kinder bzw. Jugendlicher argumentieren, bevor anschließend die eigentlichen Rollen eingenommen und sich weiter ausgetauscht wird.

Auf das durchgeführte Projekt gab es von den beteiligten Müttern viel positive Rückmeldungen – dies zeigt, dass sich eine Wiederholung (ggf. mit angedachten Anpassungen) lohnen kann.

Anmerkung: Ein wesentlicher Gedanke hinter dem Projekt ist es, Verständnisbrücken zwischen den Generationen und zwischen Spielerfahrenen und Spielunerfahrenden zu bauen. Die Möglichkeit, eigene Spielerfahrungen zu sammeln, ist elementar. Unabhängig von Zielgruppe/n und Praxisfeld/ern empfiehlt es sich bei der Planung eines ähnlichen Projektes, Jugendliche mit ihrer Expertise in die Planung und ggf. Durchführung aktiv einzubeziehen.


Dieses Projekt wurde von Mareike Kiepe unter medienpädagogischer Anleitung des Instituts Spielraums, im Rahmen des vom BMFSFJ, der bpb und des MKFFI NRW geförderten Projekts „Ethik und Games“, eigenständig entwickelt und durchgeführt.

Titelbild: Heavy Rain, Quantic Dream, Sony 2010.


Projekt-Ziele
Medienwissen, Mediennutzung, Medienkritik

Zielgruppe
Eltern, Mütter

Praxisfelder
Freizeit, Familie

Pädagogische Besonderheiten
Peer-to-Peer

Technische Hilfsmittel
Spielekonsole, Lautsprecher, TV / Monitor, Spielesoftware: Heavy Rain

Gefördert von:
Bundeszentrale für politische Bildung
Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

In Kooperation mit:
Technische Hochschule Köln

Creative Commons

Der/die Autor*in hat dieses Projekt unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlich. Das bedeutet, dass Sie das Projekt mit wenigen Einschränkungen nutzen und ggf. weiterveröffentlichen dürfen.

Die Lizenzbedingungen, unter denen dieses Projekt und dessen Materialien genutzt werden dürfen, stehen online zur Einsicht bereit.

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Institut Spielraum

angelegt an der:

TH Köln
Forschungsschwerpunkt Medienwelten
Institut für Medienforschung und Medienpädagogik
Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften

Projekt: „Ethik und Games“ (2016-2018), gefördert von BMFSFJ, bpb und dem MKFFI NRW.

Ansprechpartner*in: Maike Groen

Kontakt: spielraum@th-koeln.de

Webseite: http://th-koeln.de/spielraum